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Die Idee zu diesem Chorbuch enstand aus dem Österreichischen
Bundesjugendsingen 2001, für das ich die sechs Pflichtstücke
komponierte. Erwin Ortner, der Leiter dieser Veranstaltung und des
international hoch angesehenen Arnold Schönberg Chores, lud
mich darauf hin ein, eine Sammlung von Stücken für Laienchor
zu schreiben. So entstand in den letzten Jahren dieses Chorbuch
in zwei Bänden, das meines Wissens die erste derartige Unternehmung
seit Zoltán Kodály und Hugo Distler ist.
Kaum ein Komponist aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
hat in größerem Umfang für Laienchor komponiert.
Die Kluft zwischen den stilistischen Anforderungen der »Neuen
Musik« und den Möglichkeiten eines Laienchors war nur
schwer zu überbrücken. Seit den 80er-Jahren aber beginnt
sich die zeitgenössische E-Musik zu ändern. Sie wird vielfältiger
und publikumsfreundlicher. Die Grenzen zu U-Musik, Jazz und Ethno-Musik
verwischen sich. Die Melodie gewinnt einen neuen Stellenwert. Berührungspunkte
mit der Musik vergangener Zeiten treten hervor. Und innerhalb dieses
neuen Stilgemisches, das vorderhand mit »Postmoderne«,
»Cross over« oder »Neue Einfachheit« nur
unzureichend bezeichnet werden kann, hat die Chormusik wieder eine
echte Chance. Sogar jene für Laienchor.
Denn wenn wir »Modernität« nicht mehr einseitig
als Fortschrittlichkeit bezüglich Material und Struktur der
Musik definieren, sondern als ein neues Lebensgefühl, das sich
in allen Aspekten der Musik niederschlägt und von dem der Nachkriegszeit
(aber auch von jenem der Vergnügungsindustrie) deutlich abhebt,
dann ist es wieder möglich, »leichte« Musik für
Chor zu schreiben, die trotzdem nicht rückwärtsgewandt
ist. Eine Musik dieser Art ist mir bei meinem Chorbuch vorgeschwebt.
Als Texte habe ich bewusst keine assoziative avantgardistische Lyrik
gewählt, sondern vor allem solche Gedichte des 20. Jahrhunderts,
die ein spürbares Anliegen transportieren.
Ich widme dieses Chorbuch Erwin Ortner, der die österreichische
Chorszene seit Jahrzehnten mit seinem Einsatz und seinen Ideen belebt,
mit Dank für seine Anregung und Hilfe bei diesem Projekt.
Den Chören wünsche ich, dass sie in diesem Buch viele
Stücke finden, die interessierten, anspruchsvollen Sängern
schon beim Proben Freude bereiten, und dass die Schwierigkeiten,
die manchmal bewältigt werden müssen, mehr Anreiz als
Hindernis sind.
Herwig Reiter
Wien, im Dezember 2005
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